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Ein Mann sichtet ein Dokument zur Vorfälligkeitsentschädigung

Vorfälligkeitsentschädigung: Wann wird sie erhoben?

Es gibt einige Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, einen Kredit vorzeitig zu kündigen: Vielleicht haben sich deine Lebensumstände geändert und du willst das noch nicht abbezahlte Haus wieder verkaufen? Oder vielleicht hast du anderswo einfach günstigere Zinsen gefunden und du überlegst, deinen alten Kredit umzuschulden? Doch ganz so einfach ist das nicht, denn in den meisten Fällen kann die Bank hierfür eine Strafzahlung von dir verlangen, die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung.

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Bei der Vorfälligkeitsentschädigung handelt es sich um eine Art Strafzahlung, die Banken für die entgangenen Gewinne aufgrund einer vorzeitigen Kreditkündigung erheben. Wenn du einen Kredit bei einer Bank abschließt, bekommst du die gewünschte Darlehenssumme und im Gegenzug rechnet die Bank mit den von dir gezahlten Zinseinnahmen. Kündigst du das Darlehen nun vorzeitig und löst du die Restschuld ab, entgehen der Bank deine weiteren Zinszahlungen. Sie verzeichnet dadurch einen Margenschaden.

Darüber hinaus geht die vorzeitige Kündigung auch mit einem Refinanzierungsschaden für die Bank einher. Damit sie dir dein Darlehen zu gleichbleibenden Zinsen gewähren kann, muss sie selbst wiederum in Anleihen investieren. Löst du den Kredit vorzeitig ab, muss die Bank auch ihr Geld neu anlegen. Sind die Zinsen in der Zwischenzeit gesunken, nimmt die Bank hier weniger ein.

Wann kann ich einen Kredit vorzeitig ablösen?

Gerade bei Immobilien gehen Kreditnehmende mit einem Darlehen eine langfristige Verpflichtung ein. Nicht selten kommt es dann doch anders als gedacht und der Kredit soll noch vor Ablauf der vereinbarten Zinsbindung gekündigt werden. Was du dabei wissen musst: Um einen Kredit vorzeitig kündigen zu können, musst du ein berechtigtes Interesse daran haben. Andernfalls kann die Bank deinen Wunsch auch ablehnen und du musst den Kredit weiterhin wie vereinbart abzahlen.

In den folgenden zwei Situationen muss die Bank deinem Wunsch nach einer vorzeitigen Kreditkündigung nachkommen:

  1. Du möchtest die Immobilie verkaufen.
  2. Du möchtest die ursprüngliche Kreditsumme aufstocken (etwa für einen Um- oder Anbau der Immobilie) und die Bank lehnt dies ab.

Möchtest du den Kredit aus rein finanziellen Gründen kündigen – etwa weil du dir durch die Umschuldung günstigere Raten und niedrigere Zinsen versprichst –, muss die Bank deinem Vorhaben hingegen nicht zwangsläufig zustimmen.

Wie hoch fällt die Vorfälligkeitsentschädigung aus?

Bei einfachen Ratenkrediten ist die Vorfälligkeitsentschädigung per Gesetz auf 1 Prozent der Restschuld beziehungsweise auf 0,5 Prozent der Restschuld bei einer Restlaufzeit von unter einem Jahr gedeckelt. Ganz anders sieht es zum Leidwesen vieler Kreditnehmenden bei Immobilienkrediten aus: Zwar gibt es auch hier in den meisten Fällen verbindliche Berechnungsgrundlagen, doch fallen die Entschädigungszahlungen weitaus höher aus. So beläuft sich die durchschnittliche Vorfälligkeitsentschädigung bei Baufinanzierungen auf etwa 10 Prozent der verbleibenden Darlehenssumme. Müsstest du laut Tilgungsplan also noch 90.000 Euro abbezahlen, so musst du mit Vorfälligkeitszinsen von rund 9.000 Euro rechnen.

Wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung in deinem speziellen Fall ausfällt, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen vorrangig folgende:

  • Differenz zwischen den aktuell marktüblichen Kreditzinsen und den Zinsen zur Zeit des Kreditabschlusses
  • Höhe der Restschuld
  • Verbleibende Zeit bis zum Ende der vereinbarten Zinsbindungsfrist

Als Faustregel gilt: Je stärker die Zinsen gefallen sind, je höher deine Restschuld noch ist und je länger der Kredit eigentlich noch laufen würde, desto teurer wird die vorzeitige Kündigung.

Wann ist die vorzeitige Kreditkündigung trotz Vorfälligkeitsentschädigung sinnvoll?

Ob es sinnvoll ist, eine Vorfälligkeitsentschädigung in Kauf zu nehmen, hängt immer von den individuellen Rahmenbedingungen ab. Hast du dich etwa von deinem/deiner Partner/in getrennt und soll das gemeinsame Haus verkauft werden, führt oft schlichtweg kein Weg an der vorzeitigen Kreditkündigung vorbei. Auch wenn du einen teuren Altkredit umschulden willst, kann die Vorabkündigung sinnvoll sein: Geht es dir einzig und allein um das Sparpotenzial, solltest du das Vorhaben jedoch genau durchkalkulieren. Zahlst du hohe Zinsen, kann es sich in Zeiten niedriger Bauzinsen durchaus lohnen, die Strafzahlung in Kauf zu nehmen. Ist die Zinsdifferenz eher klein, ist das Ganze meist nicht rentabel. Bedenke außerdem, dass bei Immobilienkrediten weitere Gebühren anfallen, etwa für die Übertragung der Grundschuld an deine neue Bank.

Tipp

Geht es um eine vermietete Immobilie, kannst du die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer Umschuldung unter Umständen als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Immerhin hättest du ansonsten die hohen Kreditzinsen von der Steuer abgesetzt und die Umschuldung dient lediglich dazu, deine Zinskosten zu senken. Vereinfacht gesagt: Für das Finanzamt ist es irrelevant, ob du hohe Zinszahlungen oder eine Vorfälligkeitsentschädigung von der Steuer absetzt. Um hierbei jedoch böse Überraschungen zu vermeiden, solltest du vorab das Gespräch mit deinem/deiner Steuerberater/in oder dem/der zuständigen Finanzbeamten/Finanzbeamtin suchen.

Vorfälligkeitsentschädigung berechnen: So gehen Banken bei der Berechnung vor

Die Bank kann das Vorfälligkeitsentgelt auf zwei verschiedene Arten berechnen:

  • Aktiv-Passiv-Methode: Der Rechenweg folgt hierbei einem Szenario, bei dem die Bank die verbleibende Restschuld – parallel zur ursprünglichen Darlehenssumme – wieder am Kapitalmarkt investiert. Nun vergleicht die Bank, wie hoch die Rendite zu den aktuellen Marktkonditionen ausfallen würde. Die Differenz zwischen der aktuellen Rendite und der ursprünglich erwarteten Rendite ergibt das Vorfälligkeitsentgelt.
  • Aktiv-Aktiv-Methode: Hierbei nimmt die Bank an, dass sie die verbleibende Kreditsumme einem/einer anderen Kunden/Kundin als Darlehen auszahlen kann. Sind die Bauzinsen zwischenzeitlich gesunken, entgehen der Bank durch die Zinsdifferenz erwartete Einnahmen. In der Realität kommt dieses Verfahren eher seltener zum Tragen.

Darüber hinaus muss die Bank sich an einige weitere Grundregeln halten:

  • Die entfallenden Verwaltungs- und Risikokosten muss die Bank vom errechneten Schaden abziehen. Immerhin entstehen diese nach dem vorzeitigen Darlehensende nicht mehr, weshalb du sie auch nicht zahlen musst.
  • Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs muss die Bank vertraglich vereinbarte Sondertilgungsoptionen berücksichtigen. Durch diese Extrazahlungen hättest du deine Restschuld mindern können, was den Gewinn für die Bank ohnehin reduziert hätte (Az. VI ZR 388/14). Dasselbe gilt, wenn du eine Anpassung der Tilgungsrate vereinbart hast: Auch hierdurch hätte sich deine Restschuld reduzieren können.
  • Die Bank darf Bearbeitungsgebühren verlangen, die sie selbst festlegen darf.

Anhand dieser Berechnungsmöglichkeiten muss die Bank ihren tatsächlichen Schaden möglichst genau beziffern. Nur diesen Schaden darf sie an dich als Kreditnehmer/in weitergeben. Gut zu wissen ist dabei auch, dass die Bank in der Nachweispflicht steht. So muss die Bank ihren Rechenweg und alle Berechnungsgrundlagen hierzu offenlegen, damit du oder von dir beauftragte Experten/Expertinnen die Rechnung prüfen können.

Wichtig: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung greifen nur dann, wenn du den Kredit aus berechtigtem Interesse auflöst, etwa wegen eines Hausverkaufs. Geht es dir beispielsweise um eine Umschuldung aus rein finanziellen Gründen, hat die Bank mehr Freiheiten bei der Berechnung der Strafzahlung, weshalb diese durchaus höher als üblich sein kann.

Vorfälligkeitsentschädigung umgehen: So geht’s!

Gerade wenn es um hohe Kreditsummen geht, kann die Vorfälligkeitsentschädigung gut und gern fünfstellig ausfallen und ein großes Loch im Geldbeutel hinterlassen. Doch es gibt einige Szenarien, in denen Banken keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen dürfen. Prüfe vorab genau, ob eine davon in deinem Fall zutrifft. Mit etwas Glück kannst du so das unliebsame Entgelt umgehen.

Wann die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf:

  • Kündigungsrecht nach zehn Jahren (§ 489 BGB): Dir steht bei langen Kreditlaufzeiten nach zehn Jahren ein gesetzliches Kündigungsrecht zu. Du kannst den Kredit dann unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist vorzeitig ablösen – ganz ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
  • Vertragliches Sonderkündigungsrecht gegen Zinsaufschlag: Zum Zeitpunkt des Kreditabschlusses kannst du mit der Bank auch über ein Sonderkündigungsrecht ohne Vorfälligkeitsentschädigung verhandeln. Da dies nachteilig für die Bank ist, wird sie hierfür jedoch einen deutlichen Zinsaufschlag ansetzen.
  • Käufer/in übernimmt bestehenden Immobilienkredit: Wenn du eine noch nicht abbezahlte Immobilie verkaufst, dann kannst du das Objekt auch mitsamt Kreditvertrag an den/die Käufer/in übergeben. Natürlich geht dies aber nur, wenn der/die Käufer/in zustimmt. Darüber hinaus muss er/sie auch den Bonitätscheck der kreditgebenden Bank durchlaufen und bestehen.
  • Kauf einer neuen Immobilie: Wenn du mit dem Erlös aus dem Hausverkauf eine neue Immobilie erwerben und diese mit derselben Bank finanzieren willst, musst du den alten Kredit nicht zwangsläufig kündigen. Allerdings muss die neue Immobilie der Bank als Sicherheit dienen können. Hierzu muss sie mindestens denselben Wert wie deine alte Immobilie aufweisen.
  • Pfandtausch: Wenn du bereits eine abbezahlte Immobilie besitzt, kannst du diese der Bank als Tauschobjekt anbieten. Du kannst die noch belastete Immobilie dann verkaufen und deine alte Immobilie stattdessen als Sicherheit eintragen lassen. Der Kredit läuft dann ganz normal bis zum Ende der Zinsbindung weiter. Zwar kündigst du den Kredit hier nicht vorzeitig, doch kannst du dein Haus früher als geplant ohne Vorfälligkeitsentschädigung verkaufen. Voraussetzung ist auch hier, dass die abbezahlte Immobilie ebenso wertig ist wie die noch belastete.
  • Darlehen mit variablen Zinsen: Hast du ein Darlehen mit variabler Verzinsung abgeschlossen, so kannst du dies jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
  • Bank kündigt Kreditvertrag: Macht die Bank von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch und kündigt sie den Darlehensvertrag vorzeitig, darf sie keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Das kann etwa der Fall sein, wenn der/die Kreditnehmer/in die vereinbarten Raten nicht zahlt.
  • Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: In den vergangenen Jahren war in den Medien immer wieder die Rede vom sogenannten Widerrufsjoker. Gerichte fanden in zahlreichen Darlehensverträgen unzureichende oder gänzlich fehlende Widerrufsbelehrungen. Diese hatten zur Folge, dass die Frist für das 14-tägige Widerrufsrecht nie in Gang gesetzt wurde und dass zahlreiche Kreditnehmende ihren Darlehensvertrag auch später noch widerrufen konnten, ohne ein Vorfälligkeitsentgelt zahlen zu müssen. Für Neuverträge, die ab dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, gilt in solchen Fällen ein verlängertes Widerrufsrecht von einem Jahr.
  • Fehler im Darlehensvertrag: Seit 2016 müssen Banken bereits im Kreditvertrag detailliert über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung informieren. Sind die Erklärungen nicht ausreichend, ist das Vorfälligkeitsentgelt unter Umständen nicht rechtens. In den vergangenen Jahren stellten sich bereits einige Gerichte in derartigen Streitfällen auf die Seite der Kreditnehmenden und sprachen ihnen rückwirkend die Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung zu (OLG Frankfurt Urteil vom 1. Juli 2020, Az. 17 U 810/19).

Deshalb solltest du das Vorfälligkeitsentgelt prüfen lassen

Gerade wenn es um unzureichende Widerrufserklärungen, Ungereimtheiten im Darlehensvertrag oder auch fehlerhafte Berechnungen geht, sind Laien meist überfordert. Zwar dient die Rechtsprechung der letzten Jahre als Richtlinie, doch kommt es hier am Ende immer auf den Einzelfall an. Hast du Zweifel an der Richtigkeit oder Rechtmäßigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung, solltest du daher immer eine/n Experten/Expertin zurate ziehen. Hierbei kann es sich etwa um eine/n Anwalt/Anwältin für Kapitalrecht, aber auch um die Mitarbeitenden der Verbraucherzentrale handeln. Die örtlichen Verbraucherzentralen prüfen Vorfälligkeitsentschädigungen oft bereits ab 80 Euro.

Fazit: Die vorzeitige Kreditkündigung ist (oft) teuer

Was nach wie vor viele Kreditnehmende unterschätzen: Mit einem Darlehen geht man in der Regel eine langfristige Verpflichtung ein. Soll es vorzeitig gekündigt werden – etwa weil das soeben gekaufte Haus doch wieder verkauft wird oder weil anderswo günstigere Zinsen geboten werden –, gehen der Bank Einnahmen verloren. Um diese zu kompensieren, verlangt sie für die vorzeitige Kreditkündigung eine Vorfälligkeitsentschädigung. In einigen Fällen kannst du diese jedoch umgehen oder zumindest eine Neuberechnung zu deinen Gunsten beantragen: Guter Rat ist hier Gold wert, weshalb du dir am besten die Unterstützung von Experten/Expertinnen holen solltest.

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